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Die Legende von Alex

Es war ruhig an diesem Morgen im Königreich Natar. Du saßt am Esstisch im Speisesaal des Schlosses und aßt wie jeden Morgen mit deiner Mutter, Königsdame Esra, und deinem Vater, König Vincent, ein leckeres Frühstück mit den besten Gerichten des Landes. Wachteleier in Currysoße mochtest du ganz besonders, aber auch das Ingwer-Zimt-Risotto oder die Safrankroketten mochtest du gerne.

"Vater, könntet Ihr mir die Karaffe mit dem Wasser reichen?"

"Gerne, bittesehr!"

Du nimmst das Gefäß aus seiner Hand und gießt das feine, klare Nass in ein Kristallglas.

"Habt Dank!"

Du kannst nicht behaupten, dich an diesem Morgen besonders außergewöhnlich zu fühlen, denn feine Gerichte sind für dich Normalität. Jederzeit sind alle Schönheiten und Delikatessen aus dem Königreich hier im Zentrum des Landes versammelt.

Dein tief geschnittenes Seidenkleid hast du erst letzte Woche bekommen, nachdem auf das alte etwas Ruß gelangt war.

Die Spangen, die deine wellenden, lockigen Haare von goldener Farbe befestigen, kommen dir nur aus hochwertigem Silber ins Haus.

Dein Körper ist selbstverständlich von Schmuck behängt. Eine hübsche Silberkette mit kleinem Diamantenanhänger schmückt deinen Hals, deine Handgelenke werden von zahlreichen Edelmetall-Ringen verschlungen und an deinen Ohren hängen Stecker aus denselben Materialien.

Du bist eben so aufgewachsen, was ist schon dabei? Dir gefällt es ganz gut, deine Eltern sorgen sich um alles, und deine hellgrauen Augen und deine blasse Haut verlieren nicht ihre Schönheit wie die der schwächlichen Arbeiter.

Dein Vater schenkt ihnen regelmäßig Aufmerksamkeit und auch mal Essen, Geld und Schmuckstücke, doch du kannst mit diesem widerlichen niederen Volk nichts anfangen. "Vater, wieso behandelt Ihr das Fußvolk so gut?", hattest Du ihn mal gefragt, und er hatte geschwiegen und geantwortet, "weißt Du, Alex, es gibt da etwas, das ist nicht ganz so einfach zu verstehen. Die Kraft, als König zu herrschen, wird seit jeher von Herrscher zu Herrscher weitergegeben. Mit dieser Kraft kommt jedoch auch ein Erbkodex mit ins Spiel. Kein König ist befugt, diesen zu entehren, wenn er nicht möchte, dass sein Statussymbol in Splitter geschlagen und in den Ländern der Welt verteilt wird".

"Welcher Kodex ist das denn?", hattest du erstaunt gefragt.

"Grundsätzliche Dinge. Barmherzigkeit. Gerechtigkeit. Frieden. Gewaltlosigkeit. Fürsorge. Dies sind Grundsätze, die wir nicht missachten dürfen!", doch du hattest ihm nicht geglaubt. "Ihr seid einfach nur zu gutmütig, das ist meine Meinung!", und davon warst du auch überzeugt gewesen.

Dein Vater hatte nicht geantwortet.

An diesem besagten Morgen wurde das friedliche Beisammensein plötzlich durch einen Tumult gestört. Eine Menschenmasse hatte sich vor dem Schluss versammelt und wütende Stimmen ertönten. Ein Botschafter machte sich auf den Weg, um dem König von den Problemen Bericht zu erstatten.

"Versprecht mir bitte, dass Ihr diesmal keine Gnade walten lasst. Die Menschen haben es nicht verdient, dass Ihr euch euer gutes Herz so an ihnen zerreißt."

"Aber Alex..."

"Versucht es wenigstens, okay?"

Der Botschafter stürzte die Treppe hinauf.

"O Eure Majestät, eine Menschenmasse hat sich vor Eurer Majestäts Schloss eingefunden. Ein Fischermann aus Dübel hat wohl eine Gattin, welche in einer Erkrankung liegt, für welche Eure Majestät Unterstützung bereitstellen soll."

Du fixierst deinen Vater.

"Ihr wollt doch nicht etwa jeden Bauern und jeden Narren persönlich heilen?"

"Ich muss ihm doch helfen", sagt dein Vater, und ihm tritt der Schweiß auf die Stirn.

"Müsst Ihr? Ich sehe nicht, weshalb Ihr dazu verpflichtet sein solltet..."

"Es ist mein Volk, und-"

"Es ist Euer Volk, aber das heißt nicht, dass Ihr für die Bemutterung des Volkes dasein sollt. Setzt Euch durch."

Dein Vater nickt, er kann Deinem Druck nicht standhalten.

"Na schön, sagen Sie-", er strauchelt.

"Sagen Sie, ich kann dem guten Mann nicht helfen, da es nicht in meinem Interesse liegt."

Eine Sekunde des Schweigens. Nichts rührt sich. Plötzlich schreit dein Vater auf, als ein gleisendes Licht ihn niederstreckt. Irgendwo knallt ein Donner. Der Botschafter erschrickt und eilt davon.

"Vater, oh nein, was ist mit Euch passiert?"

"Es ist passiert", flüstert Dein Vater, "die Kronsiegel sind entzwei. Ich habe egoistisch gehandelt, der Erbkodex ist gebrochen..."

Seine Gesichtshaut wird sehr schnell sehr grau, und seine Augäpfel werden gelb.

"Bitte- ihr müsst sie zurückholen-", stöhnt er.

"Vater!", schreist du. "Wen soll ich holen? Wer kann Euch helfen?"

"Nur Ihr. Nur die Königsfamilie kann die Kronsiegel zusammensetzen, und alle Männer des Landes wurden der königlichen Macht beraubt. Be-", seine Augen schließen sich, "eine Frau muss es tun- eine Frau meiner Familie", und damit versinkt er in tiefen Schlaf.

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