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Kundendienst

Das übliche Vorgeplänkel

Es war einer von den Tagen, an denen alles schief geht, was nur schief gehen kann. Es fing schon damit an, dass die Milch, welche ich morgens über mein Müsli zu schütten pflege in Würfeln aus der Flasche kam. Also fuhr ich hungrig zur Arbeit. Und wie üblich war ich zu spät, was aber heute daran lag, dass ich mir auf dem Arbeitsweg noch schnell eines dieser Fast-Food-Frühstücke aus dem Restaurant „zum güldenen M“ einverleibte. Der Chef war wie immer mies gelaunt. Wahrscheinlich hatte seine Frau wieder ihre Tage. Über meine Verspätungen sah er jedoch trotzdem meistens gnädig hinweg, da ich in seinen Augen einer der besten Mechaniker bin, die er unter seinen Mitarbeitern hat.
Ich arbeite beim Kundendienst eines größeren Büromaschinenherstellers. In meinen Aufgabenbereich fällt die Wartung und Instandsetzung von Kopierern. Das ist eigentlich ein relativ ruhiger Job, da unsere Geräte ziemlich zuverlässig sind. Das hält die Verkaufsabteilung natürlich trotzdem nicht davon ab, den Firmen zu den Kopierern und Druckern noch sündhaft teure Wartungsverträge aufs Auge zu drücken.
„Wenn dann doch mal was kaputt geht, was sehr selten vorkommt, dann sind sie mit so einem Wartungsvertrag auch nach der Garantiezeit immer auf der sicheren Seite - ...“ Bla bla bla... Jeden Tag hörte ich die ölig frisierten Verkäufer in ihren schlecht sitzenden Anzügen diese Floskeln jemand anderem auftischen. Natürlich könnte man für das Geld, was so ein Drei-Jahresvertrag kostet den Kopierer alle zwei Monate komplett zerlegen und wieder zusammenbauen, aber das verschwieg man dem Kunden meist. Der Grund dürfte klar sein.
Meistens rufen die Firmen, in denen unsere Geräte stehen sowieso erst an, wenn es zu spät ist. Das heißt dann im Normalfall, dass zwei Mechaniker mit einem Austauschgerät zum Kunden fahren und der „Patient“ in unserer Werkstatt wieder zusammengeflickt werden muss. Reparaturen beim Kunden sind eher selten. Aber wenn, dann bin ich einer von drei Mitarbeitern, die sie durchführen.
Dieser Tag war einer von denen, an denen die Hölle los ist. Ich hatte drei Vor-Ort-Aufträge in drei weit voneinander entfernten Stadtteilen zu erledigen, und keiner von denen schien einfach zu sein. Zumindest nicht nach den Fehlerbeschreibungen, die unsere Hotline aus den Kunden herausbekommen konnte. Also packte ich auf Verdacht die Ersatzteile ein, die zu den vermuteten Fehlern passten und machte mich auf den Weg. Warum mussten eigentlich ausgerechnet immer bei meinen Aufträgen die großen Teile kaputt gehen?
Nachdem ich eine Sortiereinheit ausgetauscht, ein paar Transportwalzen gereinigt und einen Papiereinzug neu justiert hatte, insgesamt vier Stunden im Stau und einem Mittagsessen beim Chinesen, dessen Zutatenliste ich wahrscheinlich nicht wissen will freute ich mich auf meinen Feierabend. Der wäre eigentlich schon zwei Stunden eher gewesen, aber Überstunden bringen Geld. Ich wollte eigentlich nur noch nach Hause.
Aber da schien mein Chef was dagegen zu haben. Mein Handy klingelte: „Bei Anytise gibt’s mal wieder Probleme. Kannst du da nicht noch schnell vorbeifahren?“ Anytise war unser größter Kunde. Leider auch unser anstrengendster. Eine Werbeagentur, in der der durchschnittliche Angestellte seit drei Jahren von der Uni runter ist, aber mittlerweile aufgrund des Erfolges der Firma mindestens einen Audi TT in der Garage hat. Natürlich hatte auch Anytise einen Wartungsvertrag, aber dieser wurde auch rigoros ausgenutzt. Am liebsten hätten diese Schnösel selbst zum Nachfüllen des Papierfaches den Kundendienst in Anspruch genommen. Irgendwann haben sie es dann soweit übertrieben, dass unsere Firma den Wartungsvertrag einseitig aufgekündigt hat. Nach längeren Streitereien über die jeweiligen Anwälte kam man dann überein, dass der Wartungsvertrag aufgelöst würde und Anytise im Ausgleich hierfür einen saftigen Rabatt auf die Montageleistungen bei künftigen Reparaturen erhielt.

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