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Missratene Verwandtschaft

Abby hatte ihren ersten Tag in der Uni überstanden und machte sich mit der Straßenbahn auf den Weg nach Hause. Die Freude und die Begeisterung mit der sie in ihrem gewählten Studiengang heute morgen begonnen hatte machte Ernüchterung Platz. Sie hatte sowas von keinen Bock auf ihre hoffentlich nur vorläufige Bleibe. Von „ihrer Bleibe“ konnte schon mal gar nicht die Rede sein.

Abigail, wie die große schlaksige Brünette mit den kleinen festen Brüsten, der süßen Stupsnase und den niedlichen Sommersprossen mit vollem Namen hieß war die Tochter eines britischen Steueranwalts und einer deutschen Dolmetscherin. Ihre Eltern hatten in sich bei der Arbeit in London kennen gelernt, sich verliebt und zurück in die Heimat ihrer Mutter gezogen. Hier ist sie zur Schule gegangen und aufgewachsen.

Als sie kurz vor Semesterstart doch noch ihre Zusage für einen Studienplatz an einer renommierten Journalistenschule bekam, hatte sie keine Chance auf dem umkämpften Studentenwohnungsmarkt so kurzfristig eine Wohnung zu finden. Da ihr neuer Studienort mehr als 500 Kilometer von dem Wohnort ihrer Eltern entfernt lag, war Pendeln keine Lösung. Auch die vielen Studentenwohnheime führten ellenlange Wartelisten für ihre Bewerber. Glück im Unglück war ihr neuer Studienort der Wohnort ihres Onkels, dem Bruder ihrer Mutter und seinen zwei Söhnen. Hier konnte sie für kleines Geld wohnen bis sie sich eine bessere Option ergab. Abby konnte das gar nicht schnell genug gehen.

Im Gegensatz zu den Akademikerkreisen in denen sich ihre Eltern bewegten war die Lebensituation ihres Onkels und Cousins eine ganz andere. Aufgewachsen in prekären Verhältnissen gelang ihrer Mutter der soziale Aufstieg durch Fleiß und Durchhaltevermögen. Ihrem Bruder erging es nicht so gut. Langzeitarbeitslos, in einer Sozialwohnung lebend, Alkoholproblem und geschieden. Seine Frau hatte es mit dem versoffenen Ekel einfach nicht mehr ausgehalten. Seine Söhne waren kein Stück besser. Kevin der älteste ging ständig wechselnden Gelegenheitsjobs nach und hielt sich mit allerlei krummer Dinger über Wasser. Immerhin hatte er schon seine eigne Wohnung. Marco der jüngere lungerte ohne Schulabschluss und nach drei abgebrochenen Ausbildungen eigentlich nur daheim vor der Glotze rum, um dann abends zusammen mit seinen Möchtegern Ghettofreunden um die Häuser zu ziehen und sich von seiner Sozialhilfe zu besaufen.

Überhaupt nicht ihre Welt. Sie erwartete sehnlichst den Tag an dem sie in ihre eigene Wohnung ziehen konnte und das ehemalige Kinderzimmer ihres großen Cousins hinter sich zu lassen.

Außer der Tatsache dass sie in einer heruntergekommenen Sozialwohnung in einem Problembezirk wohnte in dem sie sich nicht traute nach Sonnenuntergang das Haus zu verlassen, gab es auch ein anderes Problem. Ihr gefiel der Blick nicht mit dem ihr Onkel sie manchmal anstarrte wenn er zu viel getrunken hatte. Auch gab es keine Möglichkeit ihr Leihzimmer oder das Bad abzuschließen. Angeblich waren die Schlüssel schon lange verloren gegangen. Das, und die Tatsache dass ihr Onkel nie klopfte bevor er in ihr Zimmer kam hatten dazu geführt dass ihr Onkel sie gestern beim Umziehen überrascht hatte. Bevor er das Zimmer verlassen hatte, hatte sie seine lüsternen Blicke auf ihren kleinen, festen Brüsten gespürt. Nein, es gefiel ihr gar nicht wie er sie anstarrte.

Sein Sohn war kein Stück besser. Gleich am ersten Tag ihrer Ankunft war ihr ein getragener Schlüpfer abhanden gekommen. Sie hatte zwar keine Beweise, hatte jedoch ihren Cousin im Verdacht. Einmal hätte sie schwören können er hätte sie durchs Schlüsselloch auf dem Klo beobachtet.

Die beiden auf ihr Verhalten anzusprechen traute sie sich nicht. Zur sehr war sie von der vorläufigen Wohnmöglichkeit abhängig.

Die Haltestellenansage riss sie aus ihren Gedanken. Sie verließ die S-Bahn und machte sich zu dem heruntergekommenen Plattenbau auf. An dem trostlosen grauen Gebäude angekommen, schnaufte sie kurz durch, schloss die Tür auf und lief die Treppen hoch zu der Wohnung ihres Onkels.

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